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Ein Bauwagen als „bewegliche Kirche“

Von: ideauser Datum Beitrag: 21.06.2019 Kommentare: Keine Kommentare Tags: , , , , ,

„Die Kirche muss zu den Menschen kommen.“ Dieser Satz ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Im Mannheimer Franklin-Viertel ist die Kirche noch weiter: Sie war schon da, bevor die Menschen kamen. Als 2006 die Umwandlung einer früheren amerikanischen Wohnsiedlung zu einem modernen Stadtteil begann, wollten die Kirchen präsent sein. Der evangelische Pfarrer Bernd Brucksch und der römisch-katholische Pastoralreferent Richard Link kamen auf eine riesige Baustelle – und bekamen von einer Firma einen alten, grünen Bauwagen geschenkt. „Irgendwo mussten wir ja unterkommen“, sagte Brucksch idea. Eine Kirche oder einen Gemeindesaal gab es nicht.

Gott ist mit uns, egal wann und wo

Nach und nach zogen mehr Menschen in das Viertel. „Wir haben gewartet, wer uns über den Weg läuft, um Kontakt aufzunehmen“, erzählt der Pfarrer. Jeden Mittwoch luden sie zum „Feier-Abend“, einer Abendandacht im Bauwagen, ein. „Das wurde aber schnell zu klein.“ Die Botschaft, die sie weitergeben wollen: „Gott ist schon da. Er ist mit uns, egal wann und wo und unter welchen Umständen.“ Das kommt bei den Leuten an. „Viele kamen jedenfalls immer wieder. Das ist für mich ein Zeichen der Annahme“, so Brucksch, der mit einer halben Stelle zudem Pfarrer der evangelischen Vogelstang-Gemeinde ist.

Eine bewegliche Kirche

Als immer mehr Leute Häuser und Wohnungen im Franklin-Areal renovierten und bezogen, richteten die beiden Geistlichen einen Besuchsdienst ein. „Wir haben alle besucht: egal welcher Religion oder Herkunft.“ Das Projekt wuchs langsam, aber stetig. Bald konnte die „Bauwagen-Kirche“ auch ein ehemaliges Klassenzimmer einer Grundschule nutzen. Doch der Bauwagen ist immer noch in Betrieb. „Mit dem fahren wir zu Veranstaltungen.“ Vor allem ist er immer noch ein „ungeheures Symbol“ für eine bewegliche Kirche, die zu den Menschen kommt. „Für uns war es aus der Not geboren. Aber wir haben gemerkt, dass die Botschaft angenommen wird.“ In Gremien werde viel über die Veränderung von einer „Komm-Struktur“ hin zu einer „Geh-Struktur“ der Kirche geredet. „Genau das ist es, was wir hier leben.“

Ökumenische Unterschiede

Inzwischen hat sich die „Bauwagen-Kirche“ etabliert. Zu Krabbel-Gottesdiensten für Kinder und Eltern, einer Oster-Bastelwerkstatt oder auch zu Feiertagsgottesdiensten kommen schon mal bis zu 100 Leute in das ehemalige Klassenzimmer. Darunter sind auch Mitglieder der benachbarten Kirchengemeinden. „Das ist auch gewollt. Wir wollen keine isolierte Veranstaltung, sondern Austausch, damit es nicht zu ‚Ghettoisierungstendenzen’ kommt.“ Je mehr das Projekt zu „normaler“ Gemeinde wird, desto mehr treten auch die ökumenischen Differenzen zutage. So kann eine katholische Messfeier nach wie vor nicht gemeinsam gefeiert werden, und Pfarrer Brucksch kann Katholiken nicht die Sakramente spenden. Noch aber sei das kein großes Thema. „Wir genießen einfach diese Zeit, die ungewohnte Freiheit.“ Wie sich das Projekt weiterentwickle, lasse sich ohnehin nicht vorhersagen. Vor der Einführung von Sonntagsgottesdiensten sollen die Interessenten im Sommer befragt werden. „Wir wollen nicht irgendwas anbieten, was dann keinen interessiert“, so Brucksch.

Die „Wegelagerer Gottes“ als Vorbild

Eine Idee für die Zukunft ist, die nicht mehr benutzte Franklin-Kirche auf dem Areal zu beziehen. Davor müsse sie aber noch grundsaniert werden, sagt Brucksch. Auch in diesem Punkt will er dem Ansatz der Bauwagen-Kirche treu bleiben: „Wir harren der Dinge, machen unsere Sachen und vertrauen darauf, dass uns der Heilige Geist lenkt und leitet.“ Zur Zeit der ersten Apostel sei das ähnlich gewesen. „Die Christen damals waren auch noch sehr abhängig davon, wohin sie der Geist trieb und wen der Geist zu ihnen trieb.“ Diese „Wegelagerer Gottes“ in der frühen Kirche will er sich auch künftig zum Vorbild nehmen: „Sie warten, bis jemand kommt und fragt: Was macht ihr denn da? Und sie antworten: Wenn du dabei bist, machen wir Kirche.“

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