Dass Musik Leib und Seele guttut, weiß die singende Gemeinde seit Jahrhunderten. Und auch die Bibel ist zu weiten Teilen ein Liederbuch. Es wird gesungen, um die Befreiung aus Ägypten zu feiern, um die Stimmung des depressiven Sauls aufzuhellen, um Marias Mutterglück Worte zu schenken, und es sind die Engel, die den Hirten auf dem Felde ein Konzert für die Ewigkeit geben. Aber auch um der Hilflosigkeit, der Trauer und der Wut einen Ausdruck zu verleihen, bringt die Bibel Lieder ins Spiel. Die Psalmen sind eine Schatztruhe mit Musik für das Leben in seiner ganzen Vielschichtigkeit. Sie begleiten mich von Anfang an, wenn ich Lieder schreibe, wie gute Freundinnen.
Dass Musik tatsächlich gesund ist, das bestätigten wissenschaftliche Studien ein ums andere Mal. Kürzlich wurde eine Untersuchung meiner alten Universität in London veröffentlicht, an der ich Psychologie studiert habe. Demnach sind Konzerte lebensverlängernd und wirken sich positiv auf Gesundheit, Glück und Wohlbefinden aus. Das deckt sich mit dem Feedback, das ich nach Konzerten bekomme, und zwar gerade von Menschen, die Schweres erlebt haben. Nach einem Musikgottesdienst in einem Essener Gefängnis vor wenigen Wochen leitete mir der Pfarrer dort einige Tage später die Botschaft eines Gefangenen weiter: „Judy hat unsere Seelen berührt, und wir haben für eine Stunde vergessen, dass wir Häftlinge sind.“ Singen ist Segen!
Ein heiliger Moment
Darum ist es mir wichtig, nicht nur für Menschen zu singen, sondern mit ihnen. Der Moment in einem Konzert, in dem ein Publikum seine Stimme erhebt, macht aus Zuhörern Mitwirkende. Es ist ein Geschenk Gottes, ein heiliger Moment. Singen entspringt dem ganzen Menschen und spricht ihn in all seinen Dimensionen an. Singen ist körperlich. Ich bin das Instrument. Singen ist geistig und inspiriert den Verstand. Singen ist emotional und kann Freude und Trauer freisetzen. Gemeinsames Singen ist sozial. Ich höre mich und andere im Einklang, im Wir. In Workshops mit Chören erleben wir gerade das immer wieder: Man braucht dazu gar keinen Sound – man muss nur in die Gesichter sehen. Und Singen ist auch immer wieder geistlich – für mich die schönste Form des Betens.
Zwischen Abenteuer und Wunder
Und weil Singen eben für den ganzen Menschen bewegend ist, singt unser Dorf Alpen am Niederrhein in diesem Jahr auch. In einem einmaligen Projekt haben sich hier Chöre der katholischen und evangelischen Kirchen, ein Kinderchor, eine Blaskapelle und wir mit unserer Band mit vielen Flüchtlingen vor Ort zusammengetan. Mit 253 Personen, von 7 bis 84 Jahren, aus 14 Ländern haben wir zuerst einen Workshop und dann eine CD gemacht. Mit „Hoffnungsliedern – ZuFrieden, ZuFlucht und ZuHause“. Musikalisch und menschlich ist das irgendwo zwischen Abenteuer und Wunder! Und wir erleben den Segen, wenn alle – so unterschiedlich ihre Geschichten auch sind – strahlen und eines der neuen Lieder singen, die wir für das Projekt komponiert haben:
„Liebe leben.
Komm und misch dich ein.
Sei ein Segen,
lass uns Frieden sein.“
(Die Autorin, Judy Bailey, singt und komponiert christliche Popmusik. Sie wuchs auf der Karibikinsel Barbados auf. Bailey ist seit über 25 Jahren in der christlichen Musikszene unterwegs. Für ihren Stil – einen Mix aus afrikanischen Rhythmen, karibischem Reggae und europäischem Pop – hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten.)