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Kirche und Staat: Von der Enteignung zur Staatsleistung

Von: ideauser Datum Beitrag: 11.10.2024 Kommentare: Keine Kommentare Tags: , , , ,

Bis heute erhalten die evangelische und die römisch-katholische Kirche in Deutschland sogenannte Staatsleistungen. Doch wie kam es dazu? IDEA-Redakteur Daniel Scholaster hat nachgeforscht.

Im Mittelalter gehörte die Kirche zu den größten Grundbesitzern in Europa. Kirchliche Würdenträger waren meist auch Träger der staatlichen Gewalt. Das änderte sich, als im 16. Jahrhundert im Zuge der Reformation ein großer Teil der deutschen Fürsten und Reichsstädte den evangelischen Glauben annahm. Sie begannen schon bald damit, die Kirche der staatlichen Verwaltung zu unterstellen und deren Ländereien, Wälder, Gebäude und andere Besitztümer einzuziehen. Sie lösten auch zahlreiche Klöster auf. Der evangelischen Kirche gewährten sie im Gegenzug sogenannte Dotationen, mit denen sie ihre Ausgaben bestreiten konnte. Die römisch-katholische Kirche blieb dagegen zunächst weiterhin ein politischer Machtfaktor. In zahlreichen Territorien war der Bischof oder Abt zugleich weltlicher Landesherr. Doch die Umbrüche der Französischen Revolution von 1789 und der darauf folgenden Kriege stellten dieses System infrage.

Napoleon stößt eine territoriale Neuordnung an

Nachdem zuerst in Frankreich die bis dahin geltenden Privilegien der Kirchen abgeschafft worden waren, erreichten diese Umwälzungen auch Deutschland. Der spätere französische Kaiser Napoleon Bonaparte (1769–1821) war im Jahr 1799 zum Alleinherrscher in Frankreich aufgestiegen und erweiterte die Grenzen seines Landes nach Osten. Angesichts seiner militärischen Erfolge sahen sich die Staaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation dazu gezwungen, Frieden mit dem Eroberer zu schließen. Insbesondere die größeren Staaten Österreich, Preußen und Bayern hatten westlich des Rheins massive Gebietsverluste hinzunehmen. Im Gegenzug wollten sie sich mit den Territorien ihrer kleineren Nachbarn entschädigen. Der sogenannte Reichsdeputationshauptschluss von 1803 hielt fest, welcher Fürst welche Ländereien erhielt. Seine Bestimmungen ließen einen großen Teil der unzähligen Klein- und Kleinststaaten  von der Landkarte verschwinden. Die meisten der auf diese Weise abgefundenen Fürsten dankten es Napoleon, indem sie 1806 seinem Rheinbund beitraten, der an die Stelle des Heiligen Römischen Reiches trat.

Das Ende der geistlichen Herrschaften

Dabei verschwanden auch fast alle geistlichen Herrschaften wie Erzbistümer, Bistümer und Reichsabteien. Zudem musste die Kirche im Zuge der Säkularisation Landgüter und Klöster abtreten. So gingen etwa 10.000 Quadratkilometer kirchlichen Besitzes an die größeren Länder wie Preußen, Bayern, Baden und Württemberg über. Um die katholische Kirche für diese Verluste zu entschädigen, sicherten die Landesherren zu, ihr als Ausgleich für ausbleibende Erträge jährlich bestimmte Gelder zukommen zu lassen. Diese zahlten sie nun zusätzlich zu den Zuwendungen, die die evangelische Kirche bereits seit der Reformation erhielt. So entstand das System der Staatsleistungen. Die Summe ist über die Jahre immer weiter gewachsen, denn sie berücksichtigt auch die Inflation. 1949 erhielten die Kirchen Staatsleistungen in Höhe von knapp 49 Millionen D-Mark. Diese Summe wuchs bis zum Jahr 2024 auf 618 Millionen Euro.

Trennung von Staat und Kirche

Dieses Arrangement wurde erstmals im Zuge der Abschaffung der Monarchie im Jahr 1918 ernsthaft infrage gestellt. Bis dahin waren Staat und Kirche eng miteinander verbunden. Die Fürsten waren zugleich oberste Bischöfe der evangelischen Kirchen. Diese wiederum zählten zu den wichtigsten Stützen der Monarchie und genossen im Gegenzug umfangreiche Privilegien. Doch nach der Abdankung des Kaisers und der deutschen Fürsten wurde mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 das Staatskirchentum abgeschafft. In der Verfassung wurde festgelegt, dass die Zahlungen abgelöst, also beendet werden sollen. Diese Forderung wurde 1949 auch ins Grundgesetz aufgenommen, allerdings bis heute nicht umgesetzt.

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