Seit Januar 2023 haben in Frankreich 40 Kirchen gebrannt. Es handelt sich um ein wachsendes Phänomen. Über die Hintergründe – und was dringend getan werden muss – berichtet Franziska Harter. Die Journalistin lebt in Paris.
Der verheerende Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame am 15. März 2019 wird als Wegmarke in die Geschichte des 21. Jahrhunderts eingehen. Schnell vergessen waren jedoch die Dutzenden weiteren Kirchen und Kathedralen, die in Frankreich in den vergangenen Jahren in Flammen aufgegangen sind. Noch lange werden die Bürger der kleinen Stadt Saint-Omer im Norden des Landes an die Nacht vom 1. auf den 2. September zurückdenken, von der die ausgebrannte Ruine ihrer katholischen Pfarrkirche noch auf Jahre zeugen wird. Schnell war klar, dass es sich um Brandstiftung handelte: Der Täter Joël V. gestand kurz nach seiner Verhaftung. Eigentlich sei er in der Nacht in die Kirche eingebrochen, um sie auszurauben. Doch dann habe er sie stattdessen angezündet. Der Grund: Alle Pfarrer seien Pädophile, so die Aussage des 39-jährigen französischen Staatsbürgers. Er war zuvor bereits mehrfach wegen Vandalismus und Brandstiftung in Kirchen verurteilt worden war.
Verantwortung liegt auch bei Kommunen
Es handelt sich um ein zahlenmäßig wachsendes Phänomen: Allein 2023 brannten in Frankreich 27 Kirchen, seit Jahresbeginn 2024 waren es 13. In vielen Fällen kommt es im Rahmen von Bauarbeiten und Renovierungen zu Bränden, wie bei der Kathedrale von Rouen, deren Turm im Juli den Flammen zum Opfer fiel. Manchmal ist überalterte Elektrik schuld, ein andermal ein Blitzeinschlag. 90% des französischen Kirchenbestands gehören den Kommunen. An ihnen läge es, in die Instandhaltung der Kirchen zu investieren, auch durch staatliche Unterstützung. An oberster Stelle stände eine flächendeckende Ausstattung der Gebäude mit Brand- und Alarmanlagen und für besonders alte Dachstühle die Einrichtung von automatischen Löschanlagen.
Angriffe gegen Christen interessieren kaum
Doch auch Brandstifter sind immer wieder am Werk: Allein im Januar 2023 wurde in drei Pariser Kirchen Feuer gelegt. Neben der mangelhaften Instandhaltung drängt sich auch das fehlende Interesse von Politik und Medien an antichristlichen Taten als eine weitere Ursache für die steigende Zahl brennender Kirchen auf. 2021 betraf laut dem Innenministerium die Hälfte aller antireligiösen Angriffe in Frankreich das Christentum, darunter Vandalismus, Brandstiftung, Angriff auf Personen – die Tendenz der absoluten Zahlen ist steigend.
Kirchen unter Polizeischutz
2024 waren 10.000 Polizisten im Einsatz, um Christen und ihre Gotteshäuser bei der Feier des Osterfestes zu schützen. „Im kollektiven Bewusstsein ist das Christentum kulturell immer noch dominant. Und für die Welt, in der wir leben, ist es weniger schlimm, die Herrschenden anzugreifen als die Beherrschten“, fasst der Politiker Jean-Frédéric Poisson zusammen, warum antichristliche Taten im Kampf um die Aufmerksamkeit oft vernachlässigt werden. Marc Eynaud, Autor eines 2022 erschienenen Buches zu antikatholischen Angriffen, geht im Interview mit dem „Figaro“ einen Schritt weiter: „Wenn eine Institution jahrelang kritisiert, beleidigt und einhellig verurteilt wird, ist es dann nicht verwunderlich, dass es irgendwann zu Taten kommt?“
Gegenüber dem „Journal du dimanche“ erklärte die Juristin Delphine Blot Anfang September, dass ein neuer Straftatbestand der Zerstörung einer Kultstätte durch Brandstiftung mit härteren Strafen eingeführt werden könnte, um Täter abzuschrecken. Dies wäre ein erstes Signal, das der Staat nicht nur an die Täter, sondern auch an die Betroffenen senden könnte.
(Die Autorin, Franziska Harter, ist Redakteurin der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“. Sie wohnt in Paris.)